Der dritte Beitrag unserer Reihe zum E-Commerce beschäftigt sich mit dem gesetzlichen Widerrufsrecht. Zuvor haben wir uns bereits mit der Beachtung der Informationspflichten und der wirksamen Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Detail beschäftigt. Beim Widerrufsrecht handelt es sich um einen zentralen Baustein des Fernabsatzrechts, dessen Voraussetzungen und Folgen Shop-Betreiber*innen in den Grundzügen kennen sollten. Denn nicht nur lassen sich so wirtschaftliche Nachteile vermeiden, die aus einer unfachgerechten Ausgestaltung des Widerrufsrechts resultieren können. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben kann es außerdem schnell zu einer kostenpflichtigen Abmahnung kommen.
Widerrufsrecht

Das Widerrufsrecht

Die Vorschriften des Fernabsatzrechts sehen vor, dass in B2C-Distanzgeschäften ein sog. Widerrufsrecht einzuräumen ist. Dieses Widerrufsrecht ermöglicht es Kund*innen in einem Online-Shop, ihre Bestellung innerhalb von 14 Tagen nach der Lieferung der Ware ohne Angabe von Gründen zu widerrufen. Die Folge ist, dass der geschlossene Vertrag aufgelöst wird. Durch das Widerrufsrecht erhalten Verbraucher*innen so die Möglichkeit, sich die bestellte Ware zu Hause erst einmal in Ruhe anzusehen und in einem gewissen Umfang zu testen.

 

Ausübung des Widerrufsrechts

Um den Vertrag rückgängig zu machen, müssen die Kund*innen den Widerruf eindeutig erklären. Diese Erklärung erfolgt formfrei, kann also sowohl per Brief, per E-Mail oder auch telefonisch erfolgen. Es empfiehlt sich, der Warensendung einen Retourenschein beizulegen, damit keine Zweifel über die Absichten der Kund*innen entstehen, wenn sie die Ware ohne weitere Kontraktaufnahme einfach zurücksenden.

Bei der Erklärung des Widerrufs sind die Kund*innen nicht zur Angabe von Gründen verpflichtet. Eine Begründungspflicht darf auch nicht zur Bedingung der Rückzahlung des Kaufpreises gemacht werden. Erlaubt ist es jedoch, um eine freiwillige Auskunft über den Grund für den Widerruf zu bitten.

 

Die Widerrufsfrist

Die Kund*innen müssen ihren Widerruf innerhalb der Widerrufsfrist erklären. Diese beträgt 14 Tage. Mit 14 Tagen sind Kalendertage gemeint, egal ob Werk-, Sonn- oder Feiertage. Die Frist beginnt mit Eingang der Ware bei den Kund*innen. Allerdings nur, sofern diese zuvor ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt wurden. Bei fehlender oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung verlängert sich die Widerrufsfrist auf 12 Monate und 14 Tage. Wegen dieser Folge sollte auf eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung gesteigert Wert gelegt werden.

 

Die Widerrufsbelehrung

Im Rahmen der gesetzlichen Informationspflichten müssen die Kund*innen über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts unterrichtet werden. Insbesondere wegen der Fristverlängerung kommt der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung daher eine besondere Bedeutung zu.

Um die ordnungsgemäße Belehrung zu erleichtern, hat der Gesetzgeber eine sog. Musterwiderrufsbelehrung zur Verfügung gestellt. Ihre Nutzung ist nicht verbindlich, hat aber zwei entscheidende Vorteile: Zum einen müssen Sie sich weder durch die komplizierten Gesetzestexte wälzen noch einen Anwalt mit der Erstellung beauftragen, zum anderen können Sie sich sicher sein, die Kund*innen ordnungsgemäß belehrt zu haben. Von der Musterwiderrufsbelehrung sollte daher nicht ohne Not und schon gar nicht ohne anwaltlichen Rat abgewichen werden.

Von der Musterwiderrufsbelehrung ist das Muster-Widerrufsformular zu unterscheiden. Dieses wird ebenfalls vom Gesetzgeber bereitgestellt und muss im Gegensatz zur Musterwiderrufsbelehrung den Kund*innen wortgetreu übermittelt werden. Im Online-Shop empfiehlt es sich, das Muster-Widerrufsformular in unmittelbarer Nähe zur Widerrufsbelehrung zu platzieren. Falls Sie z.B. die Widerrufsbelehrung in die AGB aufgenommen haben, kann hier auch das Muster-Widerrufsformulars hinterlegt werden. In der Praxis wird das Widerrufsformular wegen der Formfreiheit der Widerrufserklärung zwar wenig genutzt, es muss den Kund*innen aber trotzdem auf jeden Fall zur Verfügung gestellt werden.

Folgen des Widerrufs

Wurde der Widerruf erklärt, wird der Vertrag rückabgewickelt. Das bedeutet, dass alle getätigten Leistungen rückgängig gemacht werden. Die bestellte Ware muss also durch die Kund*innen zurückgesendet werden, während Sie als Shop-Betreiber*in bereits erhaltenes Geld zurückzahlen müssen. Die Kund*innen sollen hierbei keine Nachteile erleiden und insbesondere grundsätzlich keine Kosten tragen müssen (eine Ausnahme besteht für die Rücksendekosten). Auch einen Ersatz für einen Wertverlust der Ware müssen Kund*innen nur unter bestimmten Bedingungen leisten.

 

Rückabwicklung des Vertrags

Zur Rückabwicklung des Vertrags muss die erhaltene Ware innerhalb von 14 Tagen nach der Widerrufserklärung zurückgesendet werden. Auf welche Weise dies erfolgt, können die Kund*innen selbst entscheiden. Die Kosten der Rücksendung dürfen den Kund*innen auferlegt werden. Von weiteren Rücksendebedingungen darf die Ausübung des Widerrufsrechts aber nicht abhängig gemacht werden.

Als Shop-Betreiber*in müssen Sie den gezahlten Kaufpreis ebenfalls innerhalb von 14 Tagen nach Erklärung des Widerrufs zurückerstatten. Ein Gutschein darf nur zur Rückzahlung verwendet werden, wenn der Kunde auch per Gutschein bezahlt hat. Auch die Versandkosten für die Lieferung zum Kunden müssen erstattet werden.

 

Anspruch auf Wertersatz

Sollten die verschickte Ware an Wert verloren haben, während der Kunde sie in Besitz hatte, können Sie nur in den seltensten Fällen Ersatz verlangen. Grundsätzlich darf der Kunde nämlich die Beschaffenheit und die Funktionsweise der Ware testen, auch indem er sie ausprobiert. Nur wenn er die Ware übermäßig abnutzt, könnte er zum Ersatz verpflichtet sein. Kleidung kann z.B. in der Wohnung anprobiert werden, sollte jedoch nicht auf der Straße getragen werden. Mit einem Fahrrad darf vor der Haustür eine Probefahrt, aber keine ausgedehnte Radtour im Wald veranstaltet werden.

Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Das Gesetz sieht eine Reihe von Ausnahmen, bei denen das Widerrufsrecht von vornherein nicht besteht. Dies ist etwa bei der Lieferung von vorgefertigter Ware, für deren Herstellung die individuellen Wünsche oder persönlichen Bedürfnisse der Kund*innen maßgeblich ist, der Fall. Unter diese Ausnahme fallen beispielsweise Maßanzüge und Fotobücher. Auch bei der Lieferung von schnell verderblicher Ware wie Lebensmitteln oder Schnittblumen steht den Kund*innen kein Widerrufsrecht zu.

In anderen Fällen erlischt das Widerrufsrecht bei Eintritt einer bestimmten Bedingung. So erlischt das Widerrufsrecht bei der Lieferung von Waren, die aus hygienischen oder gesundheitlichen Gründen versiegelt sind, wenn das Siegel gebrochen wurde. Gleiches gilt für Ton- und Videoaufnahmen oder Computersoftware, wenn diese in einer versiegelten Packung geliefert wurde. Wichtig ist, dass die Verpackung der Ware für die Kund*innen jeweils deutlich als Versiegelung erkennbar ist. Eine bloße Klarsichtfolie reicht hier insoweit nicht aus.

Auch wenn die in Ihrem Online-Shop angebotenen Waren unter eine der Ausnahmen fallen, müssen sie die Kund*innen trotzdem hinsichtlich des Widerrufsrechts belehren. In diesem Fall eben über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts und die Gründe oder Bedingungen hierfür.

Fazit

Als Betreiber*in eines Online-Shops sollten Sie der richtigen Umsetzung des gesetzlichen Widerrufsrechts besondere Aufmerksamkeit schenken. Denn schon kleine Fehler können hier empfindliche wirtschaftliche Folgen haben, etwa die Verlängerung der Widerrufsfrist um ein ganzes Jahr. Um den Informationspflichten zu genügen, sollten daher die bereitgestellten Muster-Vorlagen verwendet werden.

Wir beraten Sie gern dabei, eine auf Sie zugeschnittene Lösung zu finden. Auf unserer Seite zum eCommerce-Recht erhalten Sie weitere Informationen zu unseren Beratungspaketen für Shop-Betreiber*innen.  

Marinus Stehmeier ist als Rechtsanwalt und Senior Legal Consultant bei der Datenschutzkanzlei tätig. Er ist spezialisiert auf alle rechtlichen Themen rund um Datenschutz und Datenökonomie und berät sowohl im Privatrecht als auch im Öffentlichen Sektor. 

Florian Garbade studiert Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg und unterstützt als studentischer Mitarbeiter das Team der Datenschutzkanzlei.